Es ist Montag, den 13. September, der erste Tag der Parlamentssitzung. Um 14 Uhr erscheint eine kleine Gruppe von Leuten auf dem Bundesplatz, die einen Tisch, ein paar Bänke und genug Kekse und Kaffee für eine grosse Familie mit sich führen. Eigentlich sehen sie wie eine Familie aus, von Grosseltern bis zu Enkelkindern.
Wenn man sich erwartet hätte, dass sie sich gemütlich auf dem Platz niederlassen, ist man überrascht: Sie gehen weiter, treten auf die Mitte der Straße vor dem Parlament und schlagen hier ihr Lager auf und blockieren den Verkehr. Vier von denen nehmen Platz da, aber achten darauf, genügend freie Plätze für die erwarteten Gäste zu lassen.
Sie nehmen dann alle vier eine Tube Sekundenkleber heraus, streichen den Inhalt auf eine Hand, wie man Butter auf Toast streicht, und legen die Hand auf den Tisch. Aufgeklebt! Sie werden hier eine Weile bleiben.
Diese Rebellen sind gekommen, um unseren Parlamentsmitglieder*innen zu einem Kaffee und einem schwierigen Gespräch einzuladen.
Polizisten fühlen sich mehr zu Keksen hingezogen als Parlamentarier.
Der Brief, der im Juni an den Bundesrat geschickt wurde, ist immer noch nicht beantwortet worden. Darin forderten die Rebellen (die von über 4000 Personen auf Campax unterstützt wurden) die Regierung auf, die Wahrheit über die Klima- und Umweltkrise zu sagen und sich jetzt zu verpflichten, mit Hilfe von Bürgerversammlungen bis 2025 klimaneutral zu werden. Wenn der Bundesrat bis zum 20. September nicht zweckmäßig diesen Brief beantwortet, haben die Bürgerinnen und Bürger keine andere Wahl, als in Zürich eine Massenstörung zu verursachen, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen.
Da E-Mails und Briefe keine Reaktionen hervorrufen, hofften die Rebellen, die nach Bern kamen, die Parlamentarier*innen mit Kaffee und Keksen ansprechen und sie dann um ihre Hilfe zu bitten, den Bundesrat dazu zu bringen, seinen Scheiss zu erledigen.
Erstaunlicherweise hielt keiner von ihnen an zu diskutieren, wie man die Menschheit vor dem drohenden Klimauntergang bewahren kann, obwohl viele auf dem Weg zu wichtigeren Themen freundlich winkten.
Die Polizei hingegen kratzte sich eine ganze Weile am Kopf, bevor sie sich entschied, wie sie die Kaffee Trinker*in und Kuchen Esser*in am besten festnehmen sollte. Die angeklebten Rebellen haben dann die Straße mehr als eine Stunde lang blockierten.
Also jetzt, dass die herausragenden Störkräfte der furchtlosen Rebellen, die einfach auf Stühlen chillten, unter Beweis gestellt wurde…
Laden wir Sie alle dazu ein, dies zu Hunderten in der Zürcher Innenstadt zu wiederholen.
Die Eröffnungsfeier findet am 3. Oktober statt, das Sit-in beginnt am Montag, den 4. Oktober. Bis wir gewinnen. Denn dies ist leider keine Übung.
Wir sehen uns auf der Strasse, Rebellen.
Die Polizei entreisst eine Rebellin ihrem Kaffee und ihren Keksen und bringt sie in eine Welt des Klimakollapses.
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Sie waren da!
Willy Burri, ein 68-jähriger pensionierter Zahnarzt, war einer der angefressenen Gastgeber dieser parlamentarischen Kaffeepause. Er sagt, er kämpfe für seine Enkelkinder Lenny und Charlotte. “Ich muss sagen, dass ich mich sehr legitimiert fühlte, als ich an einem Tisch vor dem Bundeshaus sass, mit der Hand darauf geklebt. Jean Paul Gschwind kam an unseren Tisch und teilte seine Meinung zur Krise mit. Ich war erstaunt, wie blind er für die Situation war, und ich fürchte, dass dies für die Mehrheit unserer gewählten Politiker gilt. Ich unterstütze voll und ganz das erste Ziel der Rebellion gegen das Aussterben, nämlich die Wahrheit zu sagen.”
Sophie ist 20 Jahre alt und wartet ungeduldig auf den Herbst, um ein Universitätsstudium in Soziologie und Deutsch zu beginnen. Sie wurde während der Aktion verhaftet: “Ich habe bei der Aktion mitgemacht und mich verhaften lassen, weil mir die Idee davon gut gefallen hat, nämlich zu zeigen, dass wir ganz normale, offene Leute sind. Und das hat mir auch bei der Aktion gut gefallen, wir waren die verschiedensten Menschen von allen Altersgruppen und alle sehr freundlich. Auch eine ältere Frau mit einem Stock liess sich verhaften, die Polizisten begleiteten sie sehr freundlich und fürsorglich zum Polizeiauto und halfen ihr einsteigen.”
Die Rebellin mit dem Stock ist Catherine Froidevaux, eine 72-jährige Rentnerin aus Nyon. “Für uns ist es einfach, verhaftet zu werden, denn als Rentner können wir es uns leisten, ein Vorstrafenregister zu haben, und wenn es sein muss, können wir es uns leisten, ein paar Bussgelder zu zahlen, ohne zu riskieren, zu verhungern.”
Über François, ihren Partner, sagt sie: “Er hatte immer viel mehr Respekt vor den Gesetzen und dem, was sich “gehört”, als ich. Aber sehr schnell wollte er sich an Aktionen des zivilen Ungehorsams beteiligen. Gestern hat er einen grossen Schritt getan, indem er sich - zusammen mit mir - bereit erklärte, sich verhaften zu lassen. Aber man muss sagen: Wir waren in bester Gesellschaft!”
Dies war nicht Catherines erste Aktion, und sie fasst zusammen: “Diese Aktion war wirklich cool. Die Teilnehmer waren sehr nett und die Polizei war freundlich. Ich würde sagen, das Highlight für mich war, als ich mein Handy schnell einschaltete, um ein Selfie im Polizeiauto zu machen!”
Catherine und François werden mit Stock und Fahne verhaftet
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von
Anaïs.